Anstiftung zum Uncoolsein

“Sympathisch uncool” befand das Popkultur-Magazin intro in seiner aktuellen Ausgabe ueber die Jubilaeumsgala der Berliner Gazette. Ferner: “Das Ganze erinnerte etwas an einen Tag der offenen Tuer.” Das ist nett gemeint. Dankeschoen.

Man ist geneigt sich diesen Ausspruch als Slogan auf die Fahnen zu schreiben. Zumindest sofern >sympathisch uncool< ein bestimmter Aggregatzustand von cool ist. Ein cool-sein, das seine Bestimmung nicht in der Kaelte sucht und findet. Stattdessen ein hippes, angesagtes cool-sein, das nicht cool, also entkuehlt ist. Denn eins ist klar: Dem Indikator fuers Angesagte und Hippe lag schon immer ein Uebermass an Kaelte zugrunde.

Cool – das indiziert auch eine soziale Kaelte des Ausschlusses. Eine mental-kulturelle Temperatur, die definiert, wer drinnen und wer draussen ist. Man moechte meinen, dass dieser Achtziger Jahre Distinktionsgestus in unserer Zeit unange- bracht ist. Die Zeichen/Zeiten haben sich gewandelt: Zunehmende Sicherheitsvorkehrungen, das so genannte Grenzregime und eine immer groesser werdende Kluft zwischen gesellschaftlichen Schichten. Die soziale Kaelte des Ausschlusses ist kein Gadget mehr, mit dem man sich schmuecken kann. Trotzdem kultivieren so viele Menschen die alte Logik des cool.

Das Supermarkt-Signal fuer Hunde >Wir muessen draussen bleiben< bleibt nicht nur der offen verdummenden Werbelandschaft eingeschrieben. Viel bedenklicher ist: Der Kulturbetrieb, der immerhin den Anspruch erhebt die Welt zu verbessern und fuer Gerechtigkeit einzutreten, dieser Kulturbetrieb [Galerien, Klubs, Verlage] erlebt eine Renaissance des cool hin zu einer Umarmung des Neoliberalismus. Als gaebe es einen gerechten Neoliberalismus, eine gerechte Form des Ausschlusses. Doch wen wunderts. Innovationen im Bereich der cool culture sind aus dem Kulturbetrieb nicht zu erwarten. Zu sehr funktioniert er seit jeher via Exklusivitaet.

Ein Kommentar zu “Anstiftung zum Uncoolsein

  1. Finde ich sehr aufschlussreich.

    >Innovationen im Bereich der cool cultures sind aus dem Kulturbetrieb nicht zu erwarten.

    Das sehe ich ähnlich. Aber es liegt auf der Hand, es ist Mainstream (gesellschaftlicher, politischer …). Man mag mich gerne korrigieren, es gab meines Erachtens auch einmal eine umgekehrte Phase. Als der heißer Expressionismus, der ja sowohl aus Ich-Verlegenheit wie, teils, in Kriegseuphorie (wie auch Kritik) sich äußerte, mündete zumindest in der Musik in ein Phase der “Neuen Sachlichkeit”. Obwohl “münden” die falsche Metapher ist.

    Was ich bei Bunz schon als Irritation wichtig finde, ist, dass leider ein Begriff wie Neoliberalismus vollkommen auf den Hund gekommen ist. Wie in den 60er Jahren Begriffe wie “(un)-historisch”, “(un)-dialektisch” zu leeren Hülsen wurden. Aber sie dominierten Diskussionen wie später “Diskursivität” (alles waren Diskurse).

    Ich bin fast geneigt, zu sagen, dass dies alles Folge eines ganz besonderen Spiels ist, bei wir (ich und die anderen) eigentlich nicht mehr existieren und komplett einflusslos sind. Die negative Philosophie eines Baudrillards hat das schon erkannt und sich darin versteckt.

    Ich persönlich denke, dass sich die Tür erst wieder öffnet, wenn man einmal nicht mehr in solchen dichotomischen Kategorien mindesten sein eigenes Leben zu fassen sucht. Das heißt: “Ich” sortiere mich nicht nach cool oder uncool (irgendwann ist auch uncool cool).

    Natürlich gibt es Gründe, warum cool und uncool als Unterscheidungskriterien existieren. Sonst wären sie ja nicht da und so präsent. Aber doch würde mich, als Historiker, interessieren, welche Begriffsgeschichte darin eingelagert ist, die ja nichts anderes ist, als ein Sediment der Geschichte an sich.

    Im Prinzip schreibst du das ja auch nieder, mit anderer Perspektive. Danke für den Text.

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