Kurz vor dem Gitarrensturm

Die Luft flirrt an diesem Abend in Berlin. Es ist das erste richtig heisse Wochenende dieses Sommers. Die Eberswalder Strasse ist endlich mal nicht hoffnungslos mit Autos verstopft. Vor’m Dr. Pong haben sich ein paar Leute versammelt, Club Mate trinkend, ueber nichts Wichtiges fachsimpelnd. Einer von ihnen sitzt auf einem Stuhl und kritzelt eifrig etwas auf einen Bierdeckel. Ein junger Poet mit struppeligen Haaren, sonnengegerbter Haut und selbst gestaltetem T-Shirt: Jonny Kornhauser aus Virginia, USA. Gleich wird er als Musiker unter dem Namen The Corndawg auftreten und Country spielen. Jetzt wartet er bloss noch auf seine Gitarre.

Eine halbe Stunde spaeter ist Jonny startbereit und legt einfach auf dem Buergersteig los. Inzwischen haben sich hier ungefaehr 50 Leute versammelt. >Artsy Kids< wie Oliver Miller, der Kreativdirektor des Dr. Pong, sie nennt. Spanier, Skandinavier, US-Amerikaner, Italiener. Jene jungen Menschen im Second-Hand-Chic, die im Sommer Berlin bevoelkern, weil es sich hier mit Stil leben laesst – auch ohne Kohle. Arm aber sexy. Fuer dieses Publikum jault, schreit und haut Jonny in die Seiten: Country-Musik ohne Augenzwinkern. Nach nur 20 Minuten will er seine Minibuehne freimachen fuer irgend- jemandem aus dem Publikum >who feels like it<. Ein junger Mann, in hellem Anzug, seine langen, fettigen Haare noch einmal Rockstar-maessig verwuschelnd, stapft nach vorn und schnappt sich Jonnys Gitarre. Ein denkwuerdiger 15-Minu- ten-Auftritt folgt: mit-offenem-Mund-Grinsen, in-die-Luft-starren und hektisches Zupfen – eine Rockerpose, kurz vor dem Gitar- rensturm. Doch der Sturm bleibt aus. Das Publikm kreischt. Ein anderer, aehnlich inspirierter Profi setzt sich nach vorn. Dann kommt Jonny wieder, rundet die Performance mit dem Klassiker >Girls gone wild< ab. Nach dem Auftritt errichtet er auf seinem Stuhl einen Poor man’s Merchandise-Stand: CDs, Airbrush-T- Shirts [selbstgemacht, Hamburger-Motiv] und Bling.

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