Plug In – Teil eins

>Ein kleiner Eingriff<, hat er gesagt, >wir bekommen Sie schon wieder hin< und immer an ihm vorbeigesehen, wie im Tagtraum. Nach dem Arztbesuch den Spaetnachmittag noch in die Arbeit. An seinem Schreibtisch starrt er nur in den Bildschirm, die Zeit aufgehaengt, abgehaengt, bis die von Wolken verborgene Sonne hinter Daecher geglitten ist. Die am Morgen gehoerte Melodie bewegt sich noch immer irgendwo im Kopf. Die Wohnung oeffnet sich im Dunkeln vor ihm. In die Kueche. Tee. Schuhe abstreifen, die Jacke an den Buegel. Mit der warmwandigen Tasse faellt er in den Sessel, schliesst die Augen, laesst sich vom Dampf das Gesicht bestreichen, verharrt, den Kopf zurueckgelehnt – ein Stich, etwas Kaltes auf der Stirn. Noch mal. Nass. Niklas oeffnet die Augen, sieht nichts.

Die Decke wie verschattet. Ein dunkler Fleck, gross, unregelmaessig. Das Bild schaerft sich. Ueberall haengen Tropfen, seilen sich ab, nun hoert er die feinen Einschlaege, das Rieseln des Wassers. Als habe der dampfende Tee das ganze Zimmer beschlagen, ein Mikroklima, denkt er, Wolkenbildung, Abkuehlung in hoeherer Lage, Abregnen. Raus, die Treppen hoch. Es dauert lange, bis er hinter der Tuere ein Geraeusch wahrnimmt, etwas Raschelndes, das sich naehert und wieder verstummt. Er spuert den Blick aus dem Spion. Stille. >Ich bin der Mieter, der Mieter unter Ihnen.< Warten. >Bei mir steht Wasser an der Decke.< Nichts. >Da ist etwas undicht, das muss man sofort abstellen.< Unwirklich langsam hoert er die Drehung des Schluessels. Die Tuere oeffnet sich einen schmalen Spalt, kleine Augen lugen hervor, aus faltigen Taelern, oeffnet sich ein wenig weiter, zitternd, Niklas steht da, was soll ich ihr sagen, hat sie Angst, >Was?<, fragt sie. >Das Wasser. Da ist Wasser in meiner Wohnung. Von der Decke. Von Ihnen wohl.< Er sieht, dass der Gang hinter ihr dunkel ist, von hinten nur ein Schimmer, flackerndes Echo einer Kerze. Ihr die Tuere aus der Hand reissen und hineinlaufen, denkt er. Das Wasser abstellen, die Waschmaschine, die Spuelmaschine, den Haupthahn finden, das dauert alles so lange, denkt er, Stalaktitenbildung, Rueckkehr in die Hoehle, tags jagen, nachts mit Steinen die Waende einritzen, Flaechen und Linien, die Welt hereinzuholen. >Ihre Waschmaschine? – Haben Sie gewaschen? – Oder ein Rohr ist gebrochen.< Sie verharrt regungslos. >Wasser?<, fluestert sie, scheint sich einen Moment zu besinnen, >dann sehen wir mal nach<. [Anm. d. Red.: Der Text ist ein Auszug aus einem Romanmanuskript, der in drei Teilen veroeffentlicht wird. Der zweite Teil erscheint am 20.10.09]

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