Fuer eine Handvoll Nazis

Im August wird Tarantinos Anti-Nazi-Trash-Spass-Film Inglorious Basterds in die Kinos kommen. Eine Gruppe juedischer US-Soldaten wird im von Deutschland besetzten Frankreich damit beauftragt, moeglichst viele Nazis zu toeten. Der Verfasser wird sich den Film leider nicht ansehen, aus Protest gegen den einfach zu goyishen Til Schweiger, der einen der Basterds spielt und der Filmwelt einfach schon zu viel angetan hat.

Trotzdem erdreistet sich der Verfasser, einige Prognosen ueber die popkulturelle Verwertung des Films zu treffen. Zahlreiche JYAs werden den Film grossartig finden, einfach als Revanchefilm: The Jews get to kick ass!

So war es schon bei >Munich<, so wird es auch diesmal sein. Viele deutsche Filmfans, die sich an Brutalitaeten nicht stoeren, >alles schon mal gesehen haben< und problemlos >Saw<, >Hostel< und >John Rambo< goutieren, werden von >harmloser Filmgewalt< nichts mehr wissen wollen und empoert sagen: >Ey, wie pervers, das koennte dein Grossvater sein, der da getoetet wird!< Der wahre Kult, der aus dem Film erwaechst, wird um die Rolle von Christoph Waltz herum entstehen, der den >Judenjaeger< Oberst Hans Lander spielt. Dies hat [hoffentlich] nichts mit der politischen Ausrichtung von Lander zu tun. Stattdessen wird er einfach als schillernd-soziopathischer Boesewicht [oder Antiheld?] wahrgenommen, den man mit Gesten und Saetzen [und eigentlich auch Kostuemierung] gut imitieren kann. Siehe auch: Alex DeLarge, The Joker, The Comedian. Wie schon in Tarantinos letzten beiden Filme wird auch >Inglorious Basterds< nicht zum Pulp Fiction unserer Tage. Dafuer dauert es sicher keine vier Wochen, bis man auf Antifa-Stickern unter Brad Pitts Gesicht lesen koennen wird: >Our Business – Kill Nazis!< Waehrenddessen werden im Admiralspalast die letzten Requisiten von The Producers in den Fundus verfrachtet, und ueber anti-antisemitische Witze in Brueno wird von manchen so gelacht, als waeren es antisemitische. Was das alles bedeutet, weiss der Verfasser aber auch nicht.

16 Kommentare zu “Fuer eine Handvoll Nazis

  1. “Protest gegen den einfach zu goyishen Til Schweiger”: Da mach ich mit! Til Schweiger muss getötet werden, meinetewegen auch von Nazis! :)

  2. ich weiss nicht, ob man aus hass auf til schweiger, den film boy kottieren muss… tarantino hat es bislang eigentlich ganz gut verstanden, problematische stars neu in szene zu setzen, gegen den strich: bruce willis, etc.

    was hast du gegen “death proof”?

  3. Oh, ich hasse Til Schweiger nicht. Ich kann ich einfach nur nicht ausstehen. Ja, Pam Grier, Robert Forster, Lawrence Tierney, John Travolta hatten durch Tarantino alle wieder ein Comeback. Aber die haben auch nie so einen verachstenwerten Film wie ‘Keinohrhasen’ gedreht, sondern waren einfach nur fast vergessen. Til Schweiger ist ja immer noch gut dabei.

    Death Proof habe ich nicht gesehen. Ich habe auch nichts gegen ‘Kill Bill’, nicht viel jedenfalls. Es ist nur so, dass diese Filme nicht so überpräsent sind, wie es ‘Pulp Fiction’ war und immer noch ist – mir kommt es so vor, als ob er immer wieder versucht, etwas zu drehen, das wieder so ‘kultig’ wie seine ersten Filme wird. Man erinnere sich nur an die große Red Apple Werbung in Kill Bill.

  4. Nix gegen Tarantino, aber irgendwann ist das Videotheken-Backprogramm aus seiner frühen Jobzeit eben erschöpft. Aktuell schon bei italienischen C-Filmen der 70er Jahre angekommen, die der Meister mit seinem Remix versieht. Mein Vorschlag für den nächsten Film wäre ja ein Remake von “Zombie Lake”!

  5. death proof hat mir überraschenderweise wirklich gut gefallen — kill bill dagegen hat mich nicht sonderlich begeistert…

    @boy george: der aufruf til schweiger zu töten mag in einer erhitzten minute des medialen geschehens aus einem herausgeplatzt sein, hm… oder handelt es sich um etwas anderes, eine anspielung auf frühere diskurs-terroristische kampfansagen?

  6. @krystian: ich weiss nicht, ich will mal ironisch sein, die sachen zuspitzen und verdrehen, ich hatte mich durch den text dazu stimuliert gefühlt, aber vielleicht habe ich ihn falsch verstanden…

    was sind “diskurs-terroristische kampfansagen”?

  7. @Joerg Offer: Dafür wird man irgendwann eine bemerkenswerte Kontinuität im Tarantino’schen Werk erkennen – Pubertäre Videokid-Fantasien. Die erfreulichen Ausnahme ist Jackie Brown, den ich für seinen besten Film halte.
    @Boy George: Als Autor muss ich mich entschieden gegen diese Interpretation wehren. Alles ist so, wie es beschrieben wurde bzw. wie ich es wahrnehme. Wenn etwas verdreht wurde, so soll mein Name nicht mehr Fabian Wiesengrund Wolff sein.

  8. @fabian: stimmt, jackie brown hat etwas angenehm erwachsenes…

    @boy george: was “diskurs-terroristische kampfansagen” sind? ich meine damit ein statement von diedrich diederichsen
    http://de.wikipedia.org/wiki/Diedrich_Diederichsen
    er schrieb nach einer tv sendung im dritten, man schreibt das jahr 1982, und zwar in sein tagebuch: “nach der revolution als erster zu erschiessen: hans neuenfels.”
    http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Neuenfels
    später dann in seinem vielzitierten buch SEXBEAT
    http://www.single-generation.de/pop/diedrich_diederichsen.htm#sexbeat
    kommt er darauf wieder zu sprechen und erklärt, warum es nicht mehr notwendig ist, diesen typen zu erschiessen.

    dd ist übrigens auch ein adornit —

  9. @fabian: stimmt, jackie b. hat etwas angenehm erwachsenes…

    @boy george: ich meine eine “diskurs-terroristische kampfansage” wie sie Diedrich Diederichsen in seinem vielzitierten Buch SEXBEAT (http://www.single-generation.de/pop/diedrich_diederichsen.htm#sexbeat) gemacht hat. er erkärt darin, warum er 1982 in sein Tagebuch schrieb: “Nach der Revulotion als ersters zu erschiessen: Hans Neuenfels” und warum es einige Jahre später nicht mehr notwendig ist, diese Handlung auszuführen…

    DD ist übrigens auch ein Adornit..

  10. Nett ist auch, dass ‘The Big Double D’, wie ich ihn ab sofort nennen werde, auch den Ulysses-Verstümmler Hans Wollschläger in die Liste aufnimmt. Gut, aber der ist ja schon tot, und über die meisten Toten nur Gutes…
    Was es auch wert sein mag, ich finde, Dresen tut dem Kino trotzdem mehr an als Til Schweiger.

    Und was ist nur mit Tarantino zwischen ’97 und ’03 passiert? War es das ganze MDMA, das er während der Dreharbeit zu KB genommen hat?

  11. Denke du liegst mit deiner MDMA Vermutung nicht ganz falsch, aber nachdem was mir Freunde aus L.A. kichernd erzählten, ist es auch ganz klassisch das kolumbianische Marschierpulver, das Tarantinos Kinderzimmerfantasie tagtäglich befeuert, darum versteht er sich ja auch prächtig mit den Weinstein Brüdern…:-)

  12. Die Weinsteins auch? Harvey kann ich mir vorstellen, aber Bob…?
    Damit ist auch der Schuldige gefunden: Im ansonsten eher nutzlosen ‘Sex, Lies & Pulp Fiction’ über das Indie-Kino der 90er kommt Tarantino noch wie ein nur gelegentlich zur Arroganz neigender Kiffer rüber. Rick James hatte Recht.

  13. Harvey ist der Mann mit dem Herzinfarkt, logo! Bob macht mehr die Bücher…einer muß den Scheiss ja bezahlen…

  14. So schlimm wie Don Simpson und Jerry Bruckheimer mit ihrem kleinen Privat-Gomorrha sind sie aber trotzdem nicht.

  15. Respect to the founders! Don Simpson hat natürlich in grossem Stil vorgelegt, da kommt selbst Max Mosley nicht mit…Hut ab!

  16. Nabin hat mal geschrieben:
    I suspect that the real Simpson was the guy shoving prostitutes into toilets as part of his sick psychosexual sadomasochistic games, not the guy in a Versace suit at movie premieres.

    Und jetzt ist er tot, der Drecksack.

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