Kritik des Auges

Texte, die in den letzten zehn Jahren an unterschiedlichen Publikationsorten [Anthologien, Magazinen, Katalogen] erschienen und in einer Kiste landeten. Einzelbetrachtungen zu Minimalismus, Psychedelik, Pop, Pornografie, Theater, Kunstsammlungen, Plattencover, Kino, fuer die vorliegende Publikation ausgewaehlt von einem Lektor, der mit archivarischem Gespuer nicht nur nach Juwelen Ausschau hielt, sondern auch nach Querverbindungen und Brennpunkten der fortdauernden Auseinandersetzung.

So kann der Autor in der Einleitung schreiben: >Die hier versammelten Schriften […] lassen sich tatsaechlich auf drei zentrale Fragestellungen zuspitzen, die ich offenbar hartnaeckiger und auch monomanischer verfolgt habe, als ich dachte.< Was also haelt den Inhalt von Diedrich Diederichsens >Kritik des Auges< zusammen? Erstens eine >Aesthetik der indexikalen Aufzeichnungstechnologien<, zweitens die >Idee einer psychedelischen Kritik< und drittens >der Gedanke einer Protopolitik der Kuenste<. Die drei Fragestellungen leiten sich von Diederichsens eingehender Beschaeftigung mit der Entwicklung der Popmusik und der bildenden Kunst ab. Erst in diesem Spannungsfeld gewinnen sie die Dichte einer zusammenhaengenden Fragestellung, die zwar keine Super-Theorie anstrebt, so doch aber ermoeglicht die einzelnen Fragen miteinander in Beziehung zu setzen. Waehrend der Autor in der breiten Oeffentlichkeit wahrgenommen wird als Schoepfer von Bonmots [auf LSD habe jedes Pissoir die Diginitaet eines Kunstwerks], als Bildhauer eines hybrid-eklektischen Sprachstils [>Ich kann im Zustand des Als-ob ganz primaer einen Kick bekommen<] und als sensibler Erforscher von Mikrokosmen – waehrend sich die oeffentliche Aufmerksamkeit also in erster Linie auf das Singulaere richtet, wird Diederichsens Auseinandersetzung mit Zusammenhaengen, also dem, was die Einzelbausteine miteinander verbindet, haeufig ungenuegend beruecksichtigt, obwohl seine Arbeit eine Problematisierung des Zusammenhans als >Zwang<, >Ideologie<, etc. den Blick auf das Kleine, Singulaere, Mikroskopische erst frei legt. Minimalismus und Psychedelik etwa werden in >Kritik des Auges< auf Potenziale der Dekonditionierung und Dekontextualisierung befragt. Im phaenomenologischen Begriff der Epoche wird wiederum eine Kategorie der >voruebergehenden Ausblendung eines jeden Kontexts< profiliert, um zu einem >tieferen Realismus vorzudringen<, zum >reinen Stoff, aus dem die Gesellschaft gemacht ist.< Eine Arbeit Franz Wests ueber das Theater hingegen wird als Fallbeispiel fuer einen offenen Zusammenhang, beziehungsweise einen Nicht-Zusammenhang untersucht. Doch gerade in der Abwesenheit eines kohaerenten Sinn-Ganzen erblickt der Autor in dieser Arbeit einen starken Kommentar auf das, was alles zusammenhaelt: der Markt. Martin Kippenbergers Metro-Net-Projekt, das in den Neunziger Jahren mehr als ein ironischer Seitenhieb auf die euphorisch vorangetriebene Totalvernetzung der Welt war sowie die Spiderman- und Spinnennetz-Arbeiten dieses Kuenstlers, bieten weitere Ankerpunkte eines Subnetzes oder aber auch eines Supernetzes, das die zentralen Fragestellungen nicht nur miteinander verbindet, sondern auch im Hinblick auf Logik der Verbindung infragestellt. Im letzten Kapitel schliesslich >Echos von Spiegelsounds in goldenen Headphones<, in dem der Autor das grosse Thema, die Verbindung von Kunst und Musik, beleuchtet, zeigt der Autor noch einmal, warum Musik >von Haus aus zur Konnektivitaet< tendiere. Musik stehe, so Diederichsen, fuer ein Update zur Verfuegung, das die bildende Kunst an ein neues Publikum, aber auch an andere, neue Verwertungsmoeglichkeiten jenseits der Galerie und der Originale aufschliessen koenne.

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