Kennen wir uns?

Schnelligkeit. Ein wichtiges Thema im Netz. Hier herrscht die fuenf Minuten Aufmerksamkeitsoekonomie. Schnell sein = spontan sein? Oder schnell sein = geplant und durchdacht auftreten? Legen wir die Karten auf den Tisch: Wie ist Schnelligkeit gemacht, wie ist sie gemeint? Adorno wollte zweimal gelesen werden. Warum?

Die Schnelligkeit der Massenmedien war ihm bekannt und er sah sie als Verbloedung. Heute muss alles F.-tauglich sein. Das bedeutet einfach und schnell. Schnell lesbar und verdaulich. Allein die Wissenschaft schwimmt gegen den Strom – zumindest in Deutschland. Waehrend sich die Amerikaner von Tempolimits befreit haben, muss in Deutschland ein wissenschaftlicher Text schwer lesbar und sperrig geschrieben sein.

Grosse Missverstaendnisse und Vorurteile sind hier im Busch: Sperrige Schreibe = gewichtige Gedanken und umgekehrt: Einfache, gar unterhaltsame Schreibe = leichtes Gedankengut. Dabei kann die schnelle, unterhaltsame Schreibe ein langsames Geschaeft sein. Habe ich ein Konzept? Weiss ich, was ich sagen will? Wenn ja, so muss ich Komplexitaet aufloesen. Bis komplexe Gedanken und Zusammenhaenge in eine schnell und einfach zu kommunizierende Form gebracht sind. Aber man muss nicht nur wissen, wann es zu frueh ist, den Text oeffentlich zu machen. Man muss auch wissen, wann es zu spaet ist. Irgendwann muss man die Feder beiseite legen, irgendwann macht das Feilen den Text kaputt.

Kurz: Simplizitaet ist anspruchsvolle Arbeit. Arbeit, die der Autor verrichtet. Arbeit, die der Leser nicht mehr macht? Adorno wuerde vermutlich grimmig zustimmen. Doch – und das ist die Frage – welche Arbeit soll man dem Leser abverlangen? Ist es nicht von vorrangiger Bedeutung, dass der Autor seine Ideen so transparent wie nur moeglich macht, um dem Leser die darauffolgenden Auseinandersetzungen zu ueberlassen? Der Text schliesst niemanden aus, der zu faul ist mit dem Geschriebenen zu arbeiten. Er versteht sich eher als eine Einladung an alle, sich Gedanken zu machen. Eine Heraus- forderung stellt der Text in erster Linie auf inhaltlicher Ebene dar. Auf formaler Ebene ist er anschmiegsam: ein Freund.

7 Kommentare zu “Kennen wir uns?

  1. Ich stimme dir da zu. Schwer zu schreiben ist manchmal einfach und einfach zu schreiben ziemlich schwer. Dennoch kann es ja manchmal aufregend sein, wenn ein Text nicht nur auf inhaltlicher Ebene eine Herausforderung ist, sondern auch formal. Wie so richtig “anstrengende” Musik, wo man erstmal den Zugang suchen muss. Aber ob das dann noch F.-tauglich ist?

  2. Das ist ein sehr guter Text, Krystian. Und dazu gehört, dass er auch unentschlossen ist. Ich persönlich erinnere mich an den Autor velimir chlebnikov, der schrieb einmal den Künstlern ins Merkheft:

    Auf daß sperrig geschrieben und sperrig gelesen werde, unangenehmer als geschmierte Stiefel oder ein Lastwagen im Salon (Menge von Knoten Verknüpfungen und Maschen und Flicken Oberfläche mit Rissen Sprüngen, sehr rauh)

    Es kommt auch auf die Textsorte an. Will ich was verkaufen, dürfte so ein Verhalten nicht angemessen sein. Will ich aber etwas in Gang setzen, so kommen die Leser nicht darum herum, die Freundschaft zum Text sich zu erwerben.

    Magdalena, natürlich stimmt, was du sagst. Manchmal ist “schwierige” Schreibe Folge etwas noch Unausgegorenen Denkens oder auch einfach der Übung.

    PS: Was ist F.-Tauglichkeit? Da stehe ich wohl auf dem Schlauch.

  3. @martin: was “F.-tauglichkeit” bedeutet? ich musste auch rätseln. Es ist nämlich so, dass ich mir vor gut einem Jahr Notizen macht in Stichworten zu dem Thema “Schreiben, wie, Komplexität, Simplifizierung, etc.”; diese Stichworte habe ich letzten Montag ausgegraben und und zusammengerückt. Das Ergebnis: Der vorliegende Text “Kennen wir uns?” Ich beliess fast alles wie es war, an einer Stelle stellte ich die Satzabfolge um, ich beliess auch “F.-tauglichkeit” — auch insofern hast Du wohl recht mit der “Unentschiedenheit”, die Du dem Beitrag attestierst ; )

    @magdalena: formale komplexität und herausforderungen gilt es aber auch zu gestalten; häufig habe ich den eindruck, dass sowas eher zufällig und unüberlegt entsteht, weil jemand vergessen hat darüber nachzudenken WIE er/sie sich mitteilt und selbst wenn es eine bewusste eintscheidung ist, wird zu selten über den leser gedacht, also eine aussenperspektive eingenommen und überprüft WIE der text kommuniziert.

  4. Bei der Erstellung von Hausarbeiten fällt oft auf: Eine komplizierte Schreibe ist nicht selten das Ergebnis unausgegorener Gedanken – somit aber auch der erste Schritt, seine Gedanken in eine Ordnung zu bringen, die nicht nur anderen, sondern auch einem selbst verständlicher macht, was man da eigentlich sagen will.
    Und so nebenbei: der “Trend” unserer Zeit, Texte einfach und schnell zu machen, rückt wohl nur wegen des Mediums Internet so sehr in den Fokus. Dabei finde ich, dass es zwar mehr leicht verdaubare (und umso schneller ausgeschissene) Texte gibt, aber jene Texte, die inhaltlich einen höheren Anspruch haben, nicht gerade dem Trend gehorchen auch schneller und besser verständlich zu sein.

  5. Sebastian, ganz so ähnlich sehe ich es auch. Wobei die Sache ja noch viel komplizierter ist.

    Eine Satz wie: “Das Ganze ist das Unwahre” ist ja nun wirklich ein ganz einfacher Satz.

    Ich denke, man kann dazu abschließend nichts sagen. Vieles ist der Zeit geschuldet. Mancher Satzbau ist kaum noch nachvollziehbar, war es aber einmal.

    Vergesst es: Ich wollte eigentlich sagen, dass es auch unter den “einfachen” Sätzen unerhört komplizierte gibt. Und andererseits, dass man komplizierte Texturen braucht, wenn man etwas einfach sagen will.

  6. Åñëè á íå äèðåêòîð – ïî÷èòàë áû åù¸. Æäèòå â ãîñòè íà ñâî¸ì ñàéòå – áóäó çàõîäèòü ïî÷àùå. Äèðåêòîð ñêîðî â îòïóñê :)))

  7. Òåìàòèêà ïîäîáðàíà íåïëîõî. êîíòåíò òîæå ïîäõîäÿùèé è ÷èòàáåëüíûé. Áóäåì ïîëüçîâàòüñÿ.

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