Wo der Funke sitzt

Stadion, Halle, autonomes Zentrum, >mein Zimmer< - das waren in meiner Jugend die vier Eckpunkte meiner Musiksozialisation. Mein Zimmer wurde mit 1,2 Meter hohen Boxen und einem 30 Kilo schweren Braun-Plattenspieler irgendwann zu einem regelrechten Sound-Tempel.

Hier begegnete ich in den spaeten 80ern Gustav Mahler, den Rueckwaertssingern Magma und Grunge. 20 Jahre spaeter ist von diesem Koordinatensystem nur das private Musikzimmer geblieben. Wenn ich, wie vergangenes Wochenende, Musik draussen erleben moechte, gehe ich heute am liebsten ins Theater: FSK in der Volksbuehne am Freitag; Dez Mona im Hebbel Theater am Samstag. Oder in die Galerie.

Letzten Sonntag etwa war One Trick Pony in der Galerie Feinkost zu Gast. Eine wenig bekannte Band aus Los Angeles oder >the most critically denounced band in obscurity< wie die selbstironische Selbstdarstellung auf MySpace lautet. Die Sonntagssonne scheint noch, als ich Randolph und Jennifer treffe. Er: die Stimme, die Gitarre und die schoepferische Quelle der Band. Sie: die einstige Bandmanagerin turned Schlagzeugerin. Er: gross, dunkelhaeutig, mit Bart. Sie: zierlich, blass, mit glatten langen Haaren und Mittelscheitel. Wir sprechen ueber Cleveland, Kuehe und ein angemessenes Aequivalent fuer den Titel meines Buchs im Englischen.

Als es losgeht, sitzt Jennifer hinter einer Kiste, die sie mit einem Pedal und zwei Besen bearbeitet, als waere es eine Naehmaschine, die man zum Tanzen bringen kann. Ausdrucks- los stoesst sie mit einer Engelsstimme Laute aus, Randolphs gefuehlvollen, von seiner eigenen Gitarre begleiteten Gesang ausschmueckend. Das Publikum liebt es. Die Praesenz der beiden, ihre Musik. Musik, die sich mit >Neo-Folk< beschreiben liesse oder mit der Vorstellung, dass nicht Lou Reed, sondern Chris Martin Frontmann bei Velvet Underground gewesen ist. Das wirklich Aufregende aber ist der Ort, der Moment, der improvisierte Charakter der Inszenierung.

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