Die Generation “Du mich auch!”

Zur Sache Schaetzchen: Ich will Dich; I want you. Waschmaschinen, Parteien und Armeen wenden sich mit diesen Worten an uns. Meistens jedoch auch mit Bildern, die uns gewinnen wollen. Ja, rekrutieren wollen. Fuer ihre Sache, was sonst. Kaufe, waehle, werde Soldat. Argumente helfen nicht immer weiter. Egal, weil nur Ergebnisse zaehlen. Wo hoert Ueberzeugungsarbeit auf, wo beginnt Gehirnwaesche? Die Frage ist virulent. Mir jedoch wichtiger: Kann es sein, dass man sich kaum mehr Muehe gibt, mich zu ueberzeugen? Ich meine: Werde ich denn ueberhaupt nicht mehr ernst genommen?

Genau genommen war I want you gestern. Heute scheint mich niemand mehr fuer sich gewinnen zu wollen. Die, die Macht haben, sind selbstherrlich und asexuell. Statt >I want to fuck you< fluestert die Macht: >Fuck you. Du kannst mich mal. Ich sitze am Druecker. Und solange ich hier sitze, musst Du meine Luegen ertragen.< Aber was heisst Luegen?! >Ich will noch nicht einmal etwas vortaeuschen. Du glaubst es mir sowieso nicht. Ausserdem: Wer hoert mir ueberhaupt noch zu?< Auch das muss man sich eingestehen: Aufnahmefaehige Gesichter, das war gestern. Die, die Macht haben, sehen laengst eine Masse von Aerschen vor sich: die Generation >Du mich auch!<. Allerdings kennt diese Generation die interventionistisch- exhibitionistische Pose des Hoserunterlassens und Arschinsgesichtsfeldhaltens nicht, die noch die 68er kultivierten. Trotz epilierter sowie sonnenbankverwoehnter Ressourcen - entfettet-fotogen und/oder korrekturgespritzt- gerundet. Und trotz williger Kameras, die die Rueckkehr des Realen dokumentieren. Nein, die Generation >Du mich auch!< hat ein anderes Gesicht. Anlaesslich des G8 Gipfels hat sie es gezeigt. Statt zu demonstrieren, blieb sie zu Hause. Statt ihre Stimme zu erheben, schaltete sie von ntv auf MTV oder arte. Wahrlich, eine Armee von Aerschen.

10 Kommentare zu “Die Generation “Du mich auch!”

  1. Na ja, ich habe viele Bilder gesehen, die eher vermuten lassen, dass der ganze G8-Protest eine Veranstaltung der Spaßgesellschaft war und sie nicht zu Hause geblieben ist, sondern Heiligendamm als das Event des Jahres gefeiert hat, mit Konzerten und vielen Gleichgesinnten. In diesem Sinne hat überiges auch Attac für die Proteste geworben.

  2. Offensichtlich war das aber nur ein Bruchteil der Gesellschaft. Aus dem großen Rest rekrutieren sich Vertreter der Generation “Du mich auch!”

  3. Was solln das? Man kann doch die Leute nicht anmachen, weil sie zuhause geblieben sind… Ich sehe ehrlich gesagt keine Armee von Ärschen, eher von Ahnungslosen, die die Kapital-Globalisierung einfach noch nicht am eigenen Leib erfahren haben, und wenn doch, dann wurde sie mit Hartz-IV-Pillen ein wenig betäubt. Die, die nach HD gefahren sind, sind vielleicht genauso ahnungslos. Gemeinsam ahnungslos sein ist einfach schöner.

  4. Kapitalismus ist überall, also haben alle auf die eine oder andere Weise die “Kapital-Globalisierung” erfahren. Die Generation “Du mich auch!” ist davon nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Mit ihrer Haltung stützt sie das System, dem sie [pseudo-demonstrativ] den Rücken kehrt. Der Grund, warum die, die Macht personifizieren, sich immer weniger Mühe geben, glaubwürdig zu sein, ist nicht zuletzt im Desinteresse besagter Generation zu suchen. Daher meine Forderung: Make this post-illusionary bubble history. Hört ihnen wieder zu! Und macht sie fertig, wenn sie scheisse reden!

  5. “Kapitalismus ist überall.” Was wundert dann, wenn man die Lust verliert, ihm entkommen zu wollen. Ich würde da schon zwei Unterscheidungen machen zwischen “Dumichauch” und “Du mich auch”.

    Das ist doch Welt paradox. Tobias redet in einem anderen Kommentar vom Zusammentreffen, Engerwerden, Expansion der Kommunikationstechnologien … und dann darf man nicht einmal zuhause bleiben.

    Wer sagt denn überhaupt, dass es nicht vielleicht sogar besser gewesen wäre, zuhause zu bleiben. Hätten das alle gemacht, gäbe es gar kein Heiligendamm. Stell dir vor, es ist Heiligendamm und …

    ;-)

  6. Zu Hause bleiben ist nicht das Problem, denn auch von zu Hause aus kann man aktiv werden. Bitte auch den zweiten Satz der Karikatur lesen: “Statt ihre Stimme zu erheben, schaltete sie von ntv auf MTV oder arte.”

  7. Stimmt. Ich finde ja den formulierten Ansatz auch richtig und geradezu findig-spitz. In der Analyse stimme ich zu. (Muss es ja wissen, bin schließlich selbst ein Arsch – so irgendwie.)

    Vielleicht gehts mir gerade noch erträglich, weil ichs wirklich nicht mehr sehen kann. Der Fehler beginnt nicht beim Umschalten, sondern beim Einschalten.

    Hey, und gewiss, für die übersetzbare Anregung durchaus auch mal die Sprache fotogen zu entfetten bin ich sehr dankbar.

  8. Ich gehör dann woll zu der Dumichauch-Generation. Es ist ein Thema,dass mich interessierte, aber ich muss sagen, dass es mir manchmal sehr schwer ist, den Discussionen in der Berliner Gazette zu verfolgen. Vielleicht weil deutsch nicht meine muttersprache ist, vielleicht aber auch, weil die Form euch manchmal noch wichtiger ist, als der Inhalt. So wenn Ihr eine semantic revolution starten wollt, dann habt ihr gute aussichten ;)
    Wenn Ihr den Leuten in den Arsch treten wollt, dann vielleicht auch eine andere taktik? so long.

  9. Hi Desiree, das mit der Form und dem Inhalt. Kann ich nachvollziehen. Aber ist trotzdem wenig zu trennen. Manchmal sind Gedanken einfach krude, ungedeckt (jedenfalls würde ich das für mich reklamieren).

    Mit Taktik habe ich schon fast nichts am Hut. Da müsste mir mal langsam was einfallen.

  10. Die Lage ist einfacher, umfassender und schöner. Die Generation Dumichauch hat wenige politische Readymade-Strategien zur Hand, zu denen natürlich auch das Herumstehen vor Zäunen, das Besiedeln politischer Spaßaktionscamps und die Selbstverausgabung in ewigen Studentenpostillen und -gazetten zählt. Die Taktik der Generation Dumichauch ist situativer, subjektiver und ehrlicher. Sie hat seit den 80er Jahren ein durchtrieben genaues Gefühl für Verlogenheit entwickelt. Die Verlogenheit erscheint ihr unter prekären Wirkungsbedingungen unvermeidlich zugespitzter ‘Sachzwänge’ als eine Art unverzeihliches Meta-Verbrechen. Nicht ekliger, als sich am eigenen WG-Dantonismus zu berauschen und in der Wohnküche Schwüre zu leisten. Nie wieder so verlogen sein wie Mama Ensslin oder Papasupermacho Baader. Nie wieder ASTA und bloß nicht die Selbstentwürdigung durchmachen, einen geistigen Steinwurf für Weltveränderung zu halten. Die Generation Dumichauch erreicht nichts. Doch man muss sie lieben, weil sie die einfachen Parolen heruntergeschluckt hat und jeden Tag neu herunterschluckt. Die entstellend unerotische Dummheit, narzistischer Pseudopolitikschauspielerei, Revolution für das Spiegelbild, Gruppenautismus als Entgrenzungsstrategie… all das schlägt sie sich täglich tapfer ab. Darum bringt die Intelligenz heute Opfer und ist immer auch ein bisschen Dumichauch.

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