Die Opposition innerhalb der Opposition

Blogs sind in aller Munde. Blogs polarisieren. Sollten wir sie lieben oder hassen? Krystian Woznicki meint, dass es um etwas anderes geht.

Wer sich als engagierter Netizen mit Blogs beschaeftigt, ist entweder schnell begeistert oder schnell genervt. Der Begriff >Blog< beschwoert eine Menge Cybermythen herauf: Aufbruch in die neue verkabelte Welt, Besiedelung des Cyberspace, digitale Revolution, etc. Blogs, so die landlaeufige Meinung unter BefuerworterInnen, loesen das ein, was die Mythen der bislang recht kurzen Internetgeschichte in Aussicht gestellt haben: eine gerechtere, demokratischere Ordnung. Und wer moechte nicht dabei sein, wenn das endlich Wirklichkeit wird? Doch dabei sein ist heutzutage nicht alles. Laengst geht es um mehr. Die Sache selbst gilt es ernst zu nehmen, und zwar nicht nur als Business– und PR-Option. Sondern als ein allumfassendes Phaenomen, dem es sich wie einer Wissenschaft zu widmen gilt – so Medientheoretiker und Part-Time-Blogger Geert Lovink in einem Interview. Fuer ihn sind Blogs ein Gegenstand der tiefschuerfenden Reflektion, welche eine neue Form des Denkens foerdert: den elektronischen Nihilismus. Medienphilosoph Rudolf Maresch dagegen ist skeptischer. Die Sache lieber von aussen betrachtend, warnt er vor den Irrungen und Wirrungen der Masse. Die >Wissensgesellschaft 2.0< sieht er weniger als eine kollektive Intelligenz, sondern vielmehr als einen Haufen lernfauler Nachhilfeschueler. Was aber, wenn man die polaren Gemuetsregungen selbst ernst nimmt und daraus eine Position entwickelt? Also wenn man aus der Perspektive des Weder-Genervt-Noch- Begeistert-Seins, nuechtern aber nicht weniger leidenschaftlich in der Bewegung aufgeht? Man koennte so die Opposition innerhalb der Opposition bilden - wollte man, wie landlaeufig ueblich, die Blogs als Opposition der herkoemmlichen Massenmedien begreifen. Eine Bewegung, die Kritik von aussen nicht ernst nimmt und Kritik von innen meist nur als selbstreferentiellen Narzissmus erlebt – diese Bewegung haette somit einen Spiegel, den sie durchaus verdient. Immerhin ist sie gewissermassen die Sperrspitze des Internet, das in unserer Gesellschaft wiederum selbst immer noch nicht ernst genug genommen wird. Und deshalb bleibe ich dabei: Das Logbuch der Berliner Gazette ist ein Blog, der kein Blog sein wollte und heute nur bedingt einer sein will.

8 Kommentare zu “Die Opposition innerhalb der Opposition

  1. Du meinst so eine art Foodwatch für Blogs? Blogwatch gibts bestimmt schon. Aber nicht in dem Sinne, wie du es meinst. Naja, ich bin ja im Zweifelsfalle immer für Verbraucherschutz…

  2. Da bin nur begrenzt einverstanden. Was ich vermisse ist den essentiellen Verweis nach ‘citizen journalism’. Das ist der Kern der Blogideologie (wenn es sowas gibt). Blogs haben sich von der neunziger Jahren Utopien verabschiedet. Oder sogar besser noch: sie haben damit ueberhaupt nichts zu tun. Die Blogsoftware vereinfacht und popularisiert. Sie ist einfach zu bedienen und deswegen das Onlinemedium der Masse. Jenseits von Gut und Boese ist das schlichtweg tatsache.

  3. @Magdalena: Gib mal Blogwatch bei Google ein… Unter diesem Stichwort firmieren zunächst einmal ganz andere Dinge. Etwas, dass der Sache annähernd nahe kommt, ist: http://blogs.chron.com/blogwatch/ mit dem selbsterklärten Ziel: Tracking the blogosphere’s reaction to breaking news. Aber letztlich ists doch nur eine Dokumentation dessen was in Blogoland passiert, etwas das in weniger selektiver Form Technocrati und Blogscout auch machen. BlogWatch im eigentlichen (also kritischen) Sinne erst mal nicht in Sicht…

    @Geert Lovink: Bürgerjournalismus mit der entsprechenden Software amplifiziert – okay, wenn das die “Sache” besser charakterisieren hilft. Nein, das ist ja wichtig, ich verstehe den Punkt. Man muss den Gegenstand schon genau eingrenzen oder zumindest doch so genau wie möglich beschreiben, bevor man anfängt ihn zu kritisieren.

  4. Nachdem sich das, was unter Blogs verstanden wird, laengst von der Beschraenkung auf private Web-Tagebuecher geloest hat, identifiziert man sie heutzutage haeufig eher ueber die verwendete techische Plattform. Die inhaltlichen Formate und die dahinter stehenden Produzenten sind dabei so vielfaeltig, dass eine trennscharfe Abgrenzung schwer moeglich ist. Ob man sich als Blog versteht, bleibt meiner Ansicht nach daher den Betreibern des Blogs bzw. Nicht-Blogs ueberlassen. Ein Blog, das kein Blog sein wollte, kann also heute durchaus bedingt einer sein. Ich vermute bei dieser Einstufung geht es um eine Einordnung in Kosmos zwischen “Opposition der herkoemmlichen Massenmedien” und selbstreferentieller Nabelschau. Wie immer man Blogs definiert oder einschaetzt: Es ist wichtig, dass es in einer solchen Bewegung selbstreflektierende und -kritische Stimmen gibt, die nicht bloss im Strom einer einfachen Moeglichkeit Inhalte zu publizieren mitschwimmen. Nur so kann sich die Blogosphaere zur schon haeufig zitierten Alternative der klassischen Massenmedien entwickeln und sollte dann endlich auch hierzulande ernst genommen werden.

  5. Blogs leben natürlich von Kommentaren – zumindest werden Artikel interessanter, unter denen bereits mehrere Kommentare stehen. Ich verstehe unter “Blog”einen Internetauftritt, auf dem regelmäßig pfiffige Texte erscheinen, die nicht nur
    Mainstream-Themen behandeln. Texte, die mich nicht loslassen und über die ich auch morgen und übermorgen noch schmunzeln kann. Anders als bei Nachrichtenmagazinen besteht kein Zwang, die Seite täglich anzusurfen – ich kann auch vier unterhaltsame Texte hintereinander lesen und bin danach
    neugierig auf neue Themen. Ob wir die Berliner Gazette daher als Blog, Feuilleton oder sonst was bezeichnen, ist deshalb im Grunde egal. Ich würde sie aber eher als Blog bezeichnen, da ein Feuilleton nach meinem Verständnis umfangreicher ist (sprich mehr Texte pro Woche und ausgewogener zu Mainstream-Themen; eine bestimmte Anzahl an Rezensionen zu neuen Filmen, Theaterstücken, Ausstellungen etc).

  6. @Anne Grieger: die Berliner Gazette ist ein organisches Projekt, das heisst u.a., dass es keine grossen Brueche in der Entwicklung gibt, sondern viele kleine Schritte, die mehr oder minder aufeinander aufbauen. Woher kommen wir? Schon aus dem Netz, aber wie der Name schon sagt, ist der Hintergrund dieser publizistsischen Initiative in keinem geringen Masse die “alte Welt” – auch wenn der Name – berliner gazette – ein Zufallsprodukt ist, so steht er doch für einen gewissen Ansatz, der im Konzept wie folgt definiert wird:

    “Das innovative Potenzial der Berliner Gazette liegt in erster Linie darin, die “neuen” Optionen des Internets mit der “alten” Welt des Feuilletons zu verbinden. Das Ergebnis dieses Versuchsaufbaus ist weder die Kulturbeilage der Zeitung wie wir sie kennen, noch eine weitere Neuauflage des blumigen Versprechens von Interaktivitaet.”

    Dass wir kein Feuilleton im klassischen Sinne sind, besagt der Untertitel: digitales Mini-Feuilleton

    Was den Begriff des Blogs anbetrifft: Ich würde ihn mit Einschränkungen für das Logbuch gelten lassen. Eingeschränkt nicht zuletzt deshalb, weil das Logbuch allein technisch kein klassisches Blog ist, sondern nur bestimmte Features der Software verwendet. Abgesehen davon finde ich den Begriff wahnsinnig beliebig verwendet out there und vieles schmeckt nach Trittbrettfahrerei, Opportunismus oder einfach nur Hype- was uns nicht davon abhalten sollte, eine kritische Perspektive, sprich: enie opposition innerhalb der opposition zu bilden.

    Abgesehen davon: Ist jetzt jedes Online-Only-Medium ein Blog?
    Siehe:
    http://www.fluter.de
    http://www.telepolis.de

  7. Kürzlich auf der Konferenz “Digital-Life-Design” in München: “Kreativität und Innovation kommen heute aus dem Internet.” (Hubert Burda)

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