Nichts bleibt privat

Ich war in der ersten Haelfte der 80er Jahre Jugendlicher. Da war die Auswahl an Jugendmedien nicht sehr gross. Es gab noch kein Privatfernsehen und Privatradio – und natuerlich auch kein Internet. Jugend-Radio-Sendungen im oeffentlich-rechtlichen Programm sind gerade entstanden [z.B. beim Bayerischen Rundfunk mit Guenter Jauch und Thomas Gottschalk].

Da habe ich ab und zu reingehoert. Auch haeufig in die Fussball-Bundesliga-Uebertragungen am Samstagnachmittag [die es ja genauso heute noch gibt]. Ansonsten habe ich unheimlich viel und gerne Buecher gelesen – zum Beispiel den ganzen Karl May rauf und runter und auch das, was man dann im Deutschunterricht in der Schule so mitbekommt [damals von Goethe bis Max Frisch].

Ich war dann auch grosser Fan der lokalen Tageszeitung – habe im Alter von 18 Jahren [12. Klasse] angefangen, nicht nur zu lesen, sondern als freier Mitarbeiter neben der Schule fuer die Lokalredaktion zu arbeiten. Inzwischen bin ich bin ja Professor fuer Journalistik und beschaeftige mich berufsmaessig mit der Analyse des Journalismus und der Weitergabe dieses Wissens an junge Erwachsene [also unsere Studentinnen und Studenten]. Die Jugendlichen sind fuer die Macher der Medien eine ganz wichtige Gruppe, weil man an deren Nutzungsverhalten ablesen moechte, wie sich das Nutzungsverhalten denn generell in den naechsten Jahren veraendern wird.

Im Internet finde ich vor allem Projekte beachtenswert, in denen Jugendliche nicht nur >beschallt< werden, also lesen und gucken sollen [wie z.B. bei den Online-Auftritten klassischer Anbieter wie Bravo oder RTL], sondern bei denen von Anfang an das Mitmachen der Jugendlichen ein grosses Anliegen und Ziel ist. Sehr eindrucksvoll finde ich zum Beispiel das crossmediale Projekt >Suedwild< des Bayerischen Rundfunks, weil dafuer die Jugendlichen selbst Video/Fernsehen machen – und zwar mit vielen Ratschlaegen von und begleitet durch Profis. Interessant ist auch das Jugendprojekt der Sueddeutschen Zeitung, jetzt.de, bei dem man viel selbst schreiben kann und das nicht nach den klassischen Ressorts eingeteilt ist, sondern nach Themengebieten, die junge Menschen interessieren [Macht, Sex, Job, Kultur, Technik, Leben, Reise, Gruen].

Die ganze Medienwelt ist im Umbruch. Vor allem aendert sich das >Sender-Empfaenger-Prinzip<. Ich konnte als Jugendlicher nur lesen, hoeren und gucken, was mir vorgesetzt wurde - und das auch noch mit einer ziemlich schmalen Auswahlmoeglichkeit. Heute gibt es viel mehr Angebote - und vor allem die Moeglichkeit, selbst Medien zu gestalten. Mach mit. Schreib mit. Das ist die grosse Herausforderung fuer alle - fuer Journalisten und fuer das Publikum. Allerdings muss man auch aufpassen: Man betritt mit Aeusserungen, Fotos, Videos im Internet die Buehne der Oeffentlichkeit. Nichts bleibt privat, wenn es nicht mit Passwort geschuetzt ist oder anonym gepostet wird. [Die Redaktion der Berliner Gazette fuehrt im Rahmen des Crashkurses Online-Medien eine Umfrage unter Online-Experten durch und laesst diese ueber ihre persoenlichen Erfahrungen mit Medien sprechen.]

[Anm. d. Red.: Der Verfasser des Textes ist Professor fuer Journalistik am Fachbereich Media mit den Studiengaengen Wissenschaftsjournalismus und Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt.]

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